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Nachtwache

Manchmal, wenn ich spät abends noch draußen sitze, komme ich mir vor, wie der letzte Wächter einer entschleunigten Statd. Es gibt nur mich und den Wind; alle anderen Menschen hat es schon in die Geborgenheit ihrer Häuser verschlagen. Nur ich bin hier draußen und erfahre mit allen Sinnen meine Umgebung, begrüße die hereinbrechende Nacht wie einen alten Freund.
Der Wind und die Luft sind kalt auf meinem Körper, aber ich genieße diese kalten Berührungen, weil sie mich um so mehr meine eigene Wärme spüren lassen. Ich trotze der Kälte, denn irgendetwas hält mich hier. Eine Aufgabe, die ich nicht kenne, ein Pflichtgefühl, das ich nur mir selbst gegenüber habe.
Ich mag diese ruhigen und friedlichen Abende, an denen die Stadt die Seelen der Menschen aus ihrem Sog frei gibt und sie sich selbst überlässt – als Teil des Ganzen und doch jeder für sich frei. Ein Moment, in dem man alle Last von sich abwerfen kann und niemandem Rechenschaft schuldig ist. Der Moment, in dem die einzige Aufgabe ist, einfach nur zu sein. Man öffnet seine Sinne, spürt lange vergessen geglaubte Instinkte zum Leben erwachen und lässt seinen Gedanken freien Lauf. Es ist der Moment, in dem man sich mit seinen Ahnen bis in tiefe Urzeiten hin verbunden fühlt. Man ist nicht mehr zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort, sondern man ist einfach nur; man fühlt nicht mehr, man spürt. Man sieht die Welt einen kurzen Moment mit anderen Augen.
Und dann ist die Nacht da und nun spürt man die Kälte zunehmend und sehnt sich auch nach Wärme und Geborgenheit. Die Abendwache ist beendet und so übergibt der letzte Wächter die Stadt an die Nacht und darf sich nun endlich auch zur Ruhe legen.

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Heimkehr

Ich bin Dunkelheit nicht gewöhnt. Das soll nicht heißen, dass es in meiner Wohnung immer hell erleuchtet ist. Aber wenn man relativ zentral in einem dichtbebauten Wohngebiet lebt wie ich, dann gibt es immer irgendwo irgendwelche Lichtquellen. Sei es die Fensterfront auf der anderen Straßenseite, eine Straßenlaterne, ein vorbeifahrendes Auto, eine Tankstelle oder Leuchtreklame an einem Geschäft oder Restaurant. Und manchmal noch das Mondlicht. Es ist nie wirklich dunkel sondern ich halte es nur dafür. Wie sehr ich mich da irre, zeigen mir immer wieder Abende oder Nächte, die ich außerhalb der Stadt verbringe. Denn wenn ich den Sternenhimmel, den ich in klaren Nächten in der Stadt sehe schon für schön halte, ist das Bild, was sich mir dort zeigt schier überwältigend. Und ich fühle mich winzig klein und überlege, wie viel wir nicht sehen, weil wir es mit etwas anderem überblenden. Doch so schön ich dieses Bild auch finde, noch wunderbarer ist der Moment, wenn ich irgendwann später auf dem Weg nach Hause bin und sich in der Dunkelheit zum ersten Mal ein orange-lila Schimmer am Horizont abzeichnet, der den Nachthimmel erleuchtet. Ich liebe diesen Moment. Der Moment, der mich spüren lässt, dass ich weiß, wo ich hin gehöre – die Lichter der Stadt, die mir wie ein Leuchtfeuer den Weg nach Hause weisen. Der Moment, in dem ich weiß: bald lasse ich die Dunkelheit hinter mir und tauche ein in das helle pulsierende Licht und Leben der Stadt. Das ist mein Leben, meine Wohlfühlzone, der Pulsschlag den ich zum Leben brauche.

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